“Die HSH stand Ende 2007 am Abgrund.”

Immer wieder spült der Prozess gegen die sechs Ex-Vorstände der HSH Nordbank Unglaubliches an die Öffentlichkeit. An diesem 15. Verhandlungstag würden vor allem Buchhalter, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater die Hände über dem Kopf zusammenschlagen — und all jene, die es genau nehmen im Leben.

Täglicher Bericht an die BaFin?

Eine der langjährigen Buchhalterinnen der HSH Nordbank, Angelika S., ist geladen. Sie schilderte die Zustände um Omega 55 und in der Bank allgemein. 

Dem Gericht berichtete sie: “Die Bank stand im vierten Quartal 2007 am Abgrund.” Sie mussten ständig an die BaFin berichten. Die Stimmung unter den Mitarbeitern sei sehr angespannt und der Druck unheimlich groß gewesen. 

Nach außen dringt davon nichts. Im Gegenteil. Im November 2007 präsentiert die HSH selbstbewußt das Ergebnis der ersten neun Geschäftsmonate. Vorstandschef Hans Berger spricht vom “besten dritten Quartal seit Gründung der HSH Nordbank”. Selbstkritik? Nein.

Ungeklärte Rolle der Bankenaufsicht

Ebenfalls nicht in dieses Bild passt eine weitere Pressemitteilung der Bank aus dem November 2007. Die BAFIN, an die die Bank seit Wochen täglich berichten muss, bescheinigt der HSH ein Risikomanagementsystem, dass “den hohen Anforderungen der neuen EU-Kapitalregeln” entspricht.

Da stellen sich viele Fragen, nicht nur an die HSH, sondern gerade auch an die Bankenaufsicht BAFIN.

Omega 55 wird per Hand eingebucht

Angelika S. war auch die Koordinatorin in der Buchhaltung der HSH, die Omega 55 in die Bücher der Bank einbuchen sollte mit ihren Mitarbeitern. Finanzgeschäfte werden im Rechnungswesen der Bank erfasst, genau wie jeder Kauf eines Bürostuhls oder die gezahlten Gehälter. Alles muss am Ende des Jahres in der Bilanz zusammengefasst werden, um die Vermögenssituation der Bank nach außen hin darzustellen.

Die Buchhaltung buchte Omega 55 also Anfang 2008 per Hand ein — ein aufwändiger, teurer und ungewöhnlicher Prozess — , denn obwohl viele Daten an anderen Stellen in der Bank elektronisch vorliegen, konnten in der HSH die Daten nicht in die Buchhaltung übertragen werden. Das gaben die IT-Systeme und Organisationsstrukturen der HSH zu dieser Zeit nicht her. 

Konsolidieren? Keine Zeit dafür.

Im März 2008 stand dann die Frage an, ob die Zweckgesellschaft, die die HSH extra für “Omega 55” in der Steueroase Jersey am 13. Dezember 2007 gegründet hatte — die Mathias Ltd. — in das Rechnungswesen der HSH aufzunehmen ist, ob also diese Zweckgesellschaft wie eine Art Tochter konsolidiert werden muss.

Zeugin Angelika S. hatte im März aber keine Zeit, sich mit dieser Konsolidierung fachlich zu beschäftigen. Sie war zu ausgelastet, so S. Außerdem sagte dann die für Omega 55 zuständige Financial Institutional Group in London, Omega werde ohnehin im April 2008 abgewickelt, da lohne eine Konsolidierung der Mathias Ltd. nicht mehr. 

Als ob Buchhaltung und Bilanzierung eine Frage der zeitlichen Umstände wäre!  Sind sie nicht! Außerdem: Wäre eine Konsolidierung nicht zwingend gewesen, um überhaupt eine das Eigenkapital der Bank entlastende Wirkung zu erreichen? 

Diverse Gesetze schreiben detailliert vor, wann eine Bank — und jedes andere Unternehmen — was zu bilanzieren hat. Wunschdenken hat da keinen Platz, personelle und zeitliche Engpässe schon gar nicht.

Falsche Bilanz = Bilanzfälschung?

Die Buchhaltung konsolidierte die Zweckgesellschaft von Omega 55 also nicht. Deshalb erschien das verlustreiche Geschäft nicht in der ersten Quartalsbilanz der HSH 2008, weshalb die HSH einen Gewinn ausweisen konnte. 

Die durch Gutachten nachweislich fehlerhafte Bilanz korrigierte die HSH im nächsten Quartal. Die Staatsanwaltschaft macht Dirk Jens Nonnenmacher für diese falsche Zwischenbilanz verantwortlich. Er habe Bilanzfälschung betrieben, so der Vorwurf.    

 

PS: Ich selbst war am Mittwoch nicht im Gerichtssaal. Mein Bericht beruht auf Gesprächen mit anderen Prozessbeobachtern. 

2 Gedanken zu „“Die HSH stand Ende 2007 am Abgrund.”

  • 23. September 2013 um 09:01
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    Welche Zahlen hat die BaFin denn verlangt ? Zahlen zur Liquiditätssituation sind es wohl wahrscheinlich gewesen.

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    • 23. September 2013 um 19:22
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      Ich werde mich danach noch einmal erkundigen. Vermutlich aber werden es genau solche Zahlen sein.

      Antwort

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