Omega 55 doch nicht aufsichtsrechtlich geprüft.

Jetzt ist es also raus. Die zuständigen Juristen der HSH Nordbank haben nicht geprüft, ob das zweiteilige Kreislaufgeschäft Omega 55 als Ganzes aufsichtsrechtlich wirkt, ob also die Regeln, die die Bankenaufsicht BAFIN vorgibt, eingehalten sind. Dennoch stand in der Vorstandsvorlage zu Omega 55, die die 6 angeklagten Vorstände unterschrieben: 

„The structure has been vigorously reviewed and ultimately approved by Legal and Compliance.“
(Die Struktur ist durch die Rechts- und Compliance-Abteilung genauestens geprüft und letztlich genehmigt worden.) 

Gute Frage

Wie es zu dieser offenbar falschen Formulierung kam? Dazu müsste das Gericht wohl noch einmal denjenigen vorladen, der die Vorstandsvorlage koordiniert hat: den Analysten Marc S. — oder den, der sie schrieb; das war Steven P. Marc S. als sein Vorgesetzter hatte in der Zeugenvernehmung am Anfang des Prozesses dem Gericht sinngemäß gesagt: Die Rechtsabteilung stimmte Omega 55 zu und meinte, es entlaste das Eigenkapital der Bank

Das aber stimme so nicht, sagte am 19. Verhandlungstag der Jurist Dr. Sascha E. Der 39-jährige Fachmann für Aufsichts- und Steuerrecht bestätigt damit die Aussage seiner fachlich vorgesetzten Kollegin Vera S. Die hatte am 17. Verhandlungstag weit von sich gewiesen, dass ihre Abteilung Omega 55 umfassend geprüft und freigegeben hätte, wie es später in der Vorstandsvorlage hieß.   

Aufsichtsrechtlich bedenklicher Kreislauf

Der Zeuge Sascha E. kam im November 2007 zur HSH Nordbank (er arbeitet noch heute in Kiel für sie). Kurz darauf ging seine Kollegin Vera S. für 3 Wochen in Urlaub. Deshalb landete Omega 55 auf seinem Schreibtisch. Ein Kollege aus London stellte ihm den Deal anhand der BNP Paribas-Präsentation vor – Teil A und Teil B – und bat E. um eine aufsichtsrechtliche Einschätzung.

Sascha E. erklärte dem Kollegen, dass dieses Geschäft bei der Bankenaufsicht nur durchgehe und seine gewünschte Wirkung entfalte, wenn die Immobilien-Kredite in Teil-A, die von der BNP Paribas abgesichert werden, NICHT über Teil B wieder zurück in die Bank kommen. In Teil B sichert die HSH Nordbank ein Anlagepaket der BNP Paribas ab, das die BNP zusammenstellt.  

E. vertraute seinen Kollegen

Der Londoner Kollege versicherte Sascha E. nach dessen Erinnerung, dass die selben Immobilienkredite nicht in Teil B zurückgenommen werden. Das Gespräch dauerte etwa eine halbe Stunde, erinnerte sich Dr. E.

(Der später gehörte Zeuge aus der Immobiliensparte Lars Q. erzählte dem Gericht am 22. Verhandlungstag etwas ganz anderes. Er habe gemeinsam in enger Zusammenarbeit mit den Londoner Kollegen Omega 55 besprochen und er fand es gut, dass die abgegebenen Immobilienkredite über Teil-B wieder in die Bank zurückkamen. Denn ihr Risiko kannte man.)

Jurist Sascha E. verließ sich auf seine Londoner Kollegen und schrieb Anfang Dezember 2007 eine eMail an Marc S. nach London, in der er eine “erste Einschätzung zu Teil A” von Omega 55 gab und diesen als aufsichtsrechtlich o.k. und wirksam einstufte.

Gewöhnlich erhält die Rechtsabteilung die fertigen Verträge und Statements der Fachabteilungen und analysiert anhand dieser Dokumente das jeweilige Geschäft, so Dr. Sascha E. Bei Omega 55 lag keinerlei Dokumentation vor, bis auf die BNP Paribas-Präsentation mit der Skizze. 

Hingebogen oder “reinkopiert”?

Dass später in der Vorstandsvorlage stand, die Rechtsabteilung habe das Geschäft „genauestens geprüft und letztlich genehmigt“, könne er sich nicht erklären, sagte der Zeuge aus der Rechtsabteilung. Vielleicht haben die Londoner Kollegen Omega 55 unbedingt abschließen wollen. Vielleicht seien damit persönliche Vorteile verbunden gewesen. Das aber sei alles spekulativ, fügte Sascha E. an. Hat London die Kollegen in Kiel also hinters Licht geführt? Aber wieso?  

Teil B bis zum Vertragsabschluss vage

In mehreren Telefonaten im Dezember will Sascha E. die Kollegen in London auch darauf hingewiesen haben, dass sie Teil-A und Teil-B nicht über Nebenabreden verknüpfen dürfen (Stichwort „side letter“), wenn nicht klar ist, was in Teil B stecke. Die Verknüpfung wäre nur dann mit dem Aufsichtsrecht vereinbar, wenn die HSH Omega 55 kündigen dürfe und die dafür zu zahlende Strafgebühr „marktgerecht“ sei. London handelte daraufhin eine marktgerechte Strafgebühr aus. Selbst im Januar 2008 erzählten die Londoner dem Kieler Juristen nicht, dass in Teil B doch die HSH-Immobilienkredite aus Teil A steckten.

Erst kurz vor Abschluss des Teil-B im Januar 2008 will Vera S. von ihm erfahren haben, worauf sie sofort mit ihrem Vorgesetzten, Chefjustiziar Dr. Wolfgang Gössmann telefonierte. Dieser sicherte S. zu, so schilderte es die Zeugin, Omega sei aufsichtsrechtlich kein Problem, weil Teil-A ins Jahr 2007 falle und Teil-B ins Jahr 2008. Diese Argumentation bereitete Vera S. zwar Bauchschmerzen, sagte sie; sie trug sie letztlich aber mit. 

Fazit: Weder Dr. Sascha E. noch Vera S. haben Omega 55 unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten als Ganzes geprüft, sagen sie.

Sascha E. sagte außerdem: Weder er noch Vera S. hätten garantiert Teil-B nicht freigegeben, wenn sie gewusst hätten, was in Teil-B steckte, nämlich am Ende doch die HSH-Immobilienkredite aus Teil-A. Damit war Omega 55 DAS Kreislaufgeschäft, auf dessen aufsichtsrechtliche Unwirksamkeit Sascha E. den Londoner Kollegen gleich bei seinem ersten Gespräch aus seiner Erinnerung heraus hingewiesen hatte – wie später seine Kollegin Vera S. nach eigener Aussage.

Viele Fragen, die offen bleiben

Warum mahnte London nie eine schriftliche Stellungnahme an? Warum hakten die Juristen selbst nicht in London nach, was aus der Sache geworden ist oder forderten Unterlagen ein? Und warum schrieb London, die Rechtsabteilung hätte Omega 55 genauestens geprüft und genehmigt? Und wieso hat keiner auch nur ein Wort der geführten Telefonate dokumentiert?
 

2 Gedanken zu „Omega 55 doch nicht aufsichtsrechtlich geprüft.

  • 18. Oktober 2013 um 21:09
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    Super,

    damit ist der worst case ja nun belegt – unerfahrener Jurist, keine Vertragstexte – sondern nur die Präsentation des Kontrahenten, der Inhalt des Portfolios für den Teil B gar nicht bekannt – und trotzdem wurde der Deal durchgezogen. Management im Blindflug.

    Um das Geschäft durchzukriegen – im Rahmen des Prozesses der Kreditgenehmigung von Markt und Marktfolge, musst der Zeuge Marc S. sicher in der Vorlage behaupten, dass die Rechtsabteilung alles geprüft habe, aber hat er das tatsächlich in seiner Zeugenaussage noch mal genau so wiederholt ?

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    • 19. Oktober 2013 um 13:55
      Permalink

      Marc S. hat als Zeuge ausgesagt, die Rechtsabteilung habe ihr o.k. gegeben, habe gesagt, Omega sei aufsichtsrechtlich wirksam. Er wußte aber nicht, ob er diese Auskunft mündlich oder per E-Mail erhalten hat. Er sprach allerdings immer von Vera S., die ihm diese Auskunft gegeben habe. Das ist nachweislich falsch. Die erste Einschätzung über Omega 55, Teil A, hat Sascha E. nach London per Mail geschickt, nicht Vera S. Das haben Vera S. und Sascha E. übereinstimmend ausgesagt.
      Marc S. wußte zudem auch zu berichten, dass kein schriftliches Gutachten aus der Rechtsabteilung vorlag. Weil das in der Bank nicht üblich gewesen sei. Zeuge Dr. Sascha E. hat das etwas anders erzählt, wie ich geschrieben habe. Die Rechtsabteilung habe sehr wohl Stellungnahmen schriftlich ausgearbeitet, wenngleich das nicht als Gutachten durchgehen würde.

      Ich denke, Marc S. müßte noch einmal geladen werden, wenn das Gericht diesen Sachverhalt aufklären will.
      Allerdings reden wir hier nur über die Arbeitsebene. Wo aber liegt die Verbindung zum Vorstand? Das ist die spannende Frage der nächsten Zeugenbefragungen.

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