Nonnenmacher hat sich am Prozessende selbst nichts vorzuwerfen.

Er wirkte nervös am heutigen Montag, an dem er endlich noch einmal seine Sicht auf das umstrittene Kreislaufgeschäft “Omega 55” dem Gericht nahe bringen wollte. Seit Monaten hatte Dirk Jens Nonnenmacher, Ex-Vorstandschef der HSH, eine zweite Erklärung angekündigt. Heute war es soweit.

Nonnenmacher wählt seine Worte vorsichtig 

Als der Vorsitzende Richter Tully ihm das Wort erteilte, stolperte der sonst so selbstsicher auftretende Mathematiker etwas unbeholfen mit dem Satz — Ich glaube, jetzt bin ich gefordert. — in sein schriftlich vorbereitetes Statement. Seine Worte hatte er diesmal behutsam gewählt, nicht so markig wie in seiner ersten Rede im September des vergangenen Jahres. Da hatte er die Vorwürfe als “absurd und lebensfremd” bezeichnet. 

Kurz zusammengefasst geht Nonnenmacher nach 56 Verhandlungstagen von Folgendem aus:

Die beiden Teile von Omega 55 sollten zeitgleich mit der BNP Paribas abgeschlossen werden und nicht, wie tatsächlich geschehen, zeitversetzt Teil-A am 21.Dezember 2007 und Teil-B am 24.Januar 2008.

Er hat auch selbst nachwirkend keine Zweifel an der Wirksamkeit des Teil-A des Finanzgeschäftes, mit dem die HSH Nordbank ihr Eigenkapital vor möglichen Verlustrisiken schützen und entlasten wollte. Solche Risikoauslagerungen seien von der Aufsichtsbehörde Bafin akzeptiert und toleriert worden.

Um seine Auffassung zu untermauern, zog er die Aussagen von Gerichtsgutachter Prof. Martin Hellmich sowie eines zweiten Gutachtens von Prof. Frank A. Schäfer an, einem Fachanwalt u.a. für Kapitalmarktrecht. Die Verteidigung von Hartmut Strauß hatte bereits früher ein Gutachten bei Schäfer in Auftrag gegeben.

Für Nonnenmacher bewegte sich die 2,4 Milliarden-Euro-Transaktion auch nicht in einer “ungewöhnlichen Größenordnung” — bezogen auf die Geschäfte der Nordbank.

Zuständig für die aufsichtsrechtliche Wirksamkeit sei für ihn zudem die Rechtsabteilung gewesen. Er hatte “keinen Hinweis”, dass sie nicht ordentlich gearbeitet habe. Und wenn die “Eckdaten” von Omega 55 nicht erfüllt worden wären, hätte der Vorstand damit erneut befasst werden müssen, sagte Nonnenmacher sinngemäß.

Er jedenfalls sei weder in die Vorbereitung, die Ausgestaltung, die Umsetzung und die Überwachung der Transaktion eingebunden gewesen.

Und: Nonnenmacher ist bis heute der Überzeugung, dass er “an der Genehmigung nicht mitgewirkt habe”.

Verteidigungsstrategie wie zu Prozessbeginn

Der Ex-Vorstandschef bleibt sich damit seiner bisherigen Verteidigungslinie treu. Er war, wie sein Verteidiger im gesamten Verfahren stets betont hat, nur “Transaktionsbeteiligter” und nicht Entscheider. Er habe lediglich das Geschäft mit seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen. Verantwortlich für die Genehmigung waren die zuständigen Ressortvorstände — das wären damit Peter Rieck und Joachim Friedrich.

Einen möglichen Schaden für die Bank habe Nonnenmacher nicht erkennen können und schon gar nicht billigend in Kauf genommen. Das wirft die Staatsanwaltschaft ihm und den anderen fünf Ex-Bankvorständen vor.

Seine 23-minütige Erklärung beendete der promovierte Mathematiker mit einem Angebot: Wenn das hohe Gericht noch Fragen habe, werde er sie “entgegen nehmen”. Das Gericht hatte aber keine Fragen.

Dirk Jens Nonnenmacher wies damit in seiner Erklärung, wie zuvor die beiden Mitangeklagten Hans Berger und Hartmut Strauß, erneut den Vorwurf der schweren Untreue zurück. Auf die ihm und Joachim Friedrich zur Last gelegte Bilanzfälschung ging er diesmal nicht ein.

Nonnenmacher überzeugt nicht

Nonnenmacher weicht in seiner zweiten Erklärung nicht von seinem Standpunkt zu Prozessbeginn im Juli vergangenen Jahres ab — als hätte er die vielen Zeugenaussagen nicht gehört und als könnte er sich nicht mehr an das erinnern, was er vor den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Hamburg und Schleswig-Holstein ausgesagt hatte.

Im Abschlussbericht des Kieler Landtags zum PUA steht z.B. diese Einschätzung Nonnenmachers zur Organisation der HSH:

Schon nach wenigen Wochen und Monaten in der Bank sei ihm klar geworden, dass im Bereich des Risikomanagements „ungeheurer Weiterentwicklungsbedarf“ bestanden habe. So sei ihm sofort aufgefallen, dass die Bank beispielsweise kein Kreditkomitee und kein von den Aufsichtsbehörden freigezeichnetes internes Marktrisikomodell hatte.

Obwohl ihm die Schwächen im Risikomanagement seines neuen Arbeitgebers also längst aufgefallen waren, er also wusste, dass das Risikomanagement nicht angemessen organisiert war, nahm er – wie er es ausdrückt – das Milliardengeschäft Omega 55 inklusive hoch riskantem Derivat Ende 2007 mit seiner Unterschrift “zur Kenntnis”. Weltweit brannte da schon im Finanzzirkus die Hütte bei den Derivaten. Und dennoch vertraute Neu-Vorstand Nonnenmacher auf die Mitarbeiter der HSH.

Plädoyer der Staatsanwaltschaft nächste Woche?

Für die Angeklagten war es die letzte Gelegenheit, sich der 8. Strafkammer zu erklären. Der Vorsitzende Richter Marc Tully will, so seine vorläufige Planung, Mittwoch in einer Woche die Beweisaufnahme schließen und dann das Wort an Staatsanwalt Karsten Wegerich für dessen Schlusswort geben, das Plädoyer. 

6 Gedanken zu „Nonnenmacher hat sich am Prozessende selbst nichts vorzuwerfen.

  • 20. Mai 2014 um 08:43
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    Ich hätte erwartet, dass Prof. Nonnenmacher seine Kenntnisse/Erkenntnisse schon längst bei Aufkommen erster Zweifel an der Wirksamkeit der RWA-Eigenkapitalentlastungstransaktion Omega 55 genutzt hätte.

    Die HSH Nordbank war 2007 Spezialist im Ankauf von STCDOs. Lt. PUA hatte die HSH Nordbank 2006 und 2007 unter Anwendung des Schnellankaufverfahrens alleine in synthetische CDOs insgesamt 1,15 Mrd. Euro investiert. Das Gesamtvolumen der im CIP gehaltenen synthetischen CDOs (ohne Omega 52 und 55) betrug rund 2 Mrd. Euro. Ein Mathematiker von der Qualifikation Prof. Nonnenmachers hätte schon bei seinem Einstieg in die Bank 2007 (und aus Gründen des Selbstschutzes) Berechnungen zur Bewertung der STCDOs durchführen müssen.

    Ich denke, dies war vor dem Hintergrund der einsetzenden Subprime-Krise aus Vorsichtsgründen auch ganz besonders angezeigt. Wer den Geschäftsbericht 2007 (S. 64) liest, wird aufgerüttelt: „Ein weiterer wesentlicher Teil der Wertkorrekturen (439 Mio.Euro) im Credit-Investment-Portfolio erfolgte in einem CDO-Portfolio (Volumen: 1,9 Mrd. Euro vor Abschreibungen), dessen Marktpreise und damit die Bewertung im Zuge der Finanzmarktturbulenzen deutlich gesunken waren.“

    Nach der Einlassung von Prof. Nonnenmacher sei, wie das Handelsblatt schreibt, “Omega 55 ein Mosaikstein gewesen, dessen Erfolg oder Misserfolg niemals existenzbedrohend für die Bank hätte werden können. Einen möglichen Schaden für die Bank habe ich nicht ansatzweise erkennen können, auch nicht erkannt und schon gar nicht billigend in Kauf genommen.” Dies sei ja auch von Prof. Hellmich gutachterlich bestätigt worden.

    Wer so selbstbewusst spricht, muss eigentlich genau gewusst haben, wie man den Wert der STCDOs berechnet und man konnte erwarten, dass er deren Kurswert auch jederzeit kannte. Warum hat er die mühsamen Ableitungen und Berechnungen, die nun erst Prof. Hellmich als Gutachter im Verfahren durchgeführt hat, nicht selbst übernommen und schon frühzeitig nach Aufkommen erster Zweifel präsentiert? Er hätte sich und seinen Vorstandskollegen doch vieles erspart.

    Oder war es eben doch nicht so einfach, zu zeigen, dass gar kein Vermögensschaden eingetreten war? Da bleiben noch viele Fragen.

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    • 20. Mai 2014 um 13:16
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      Auch Nonnenmachers “Vertrauen” in die zuständigen Mitarbeiter der Bank verwirrt. Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Kieler Landtages sagte er noch laut Abschlussbericht: Schon nach wenigen Wochen und Monaten in der Bank sei ihm klar geworden, dass im Risikomanagement „ungeheurer Weiterentwicklungsbedarf“ bestanden habe. So sei ihm sofort aufgefallen, dass die Bank beispielsweise kein Kreditkomitee und kein von den Aufsichtsbehörden freigezeichnetes internes Marktrisikomodell hatte.

      Nonnenmacher kannte also die Prozessschwächen, bevor er Omega 55 unterschrieb. Dennoch vertraute er und stellt sich heute hin – wie die anderen Vorstände im Grund auch – und befindet, da gab es doch keine Hinweise, dass jemand nicht ordentlich gearbeitet hätte, außerdem wurde doch der NPNM-Prozess durchlaufen …

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  • Pingback:Nonnenmacher hat sich am Prozessende selbst nic...

  • 21. Mai 2014 um 09:23
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    Da bleibt nach all diesen Imponderabilien immer noch die Frage nach der Motivation. Warum musste Omega 55 so eilig abgeschlossen werden? Sie hatten es in Ihrem Blog zum 30. Tag angesprochen: die Boni. Im ganzen Prozess hat es hierzu keine Fragen oder Aussagen gegeben, obwohl der PUA Kiel bereits in seinem Bericht vom 15.08.2011 (S. 250) zur Motivsuche folgendes festgestellt hatte:

    Es ist somit festzuhalten, dass den durchgeführten RWA-Entlastungstransaktionen keine entscheidende Bedeutung für die HSH Nordbank insgesamt zukam. Deshalb liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Durchführung der Transaktionen vorrangig dem Interesse der einzelnen Vorstandsmitglieder entsprach, in deren Verantwortungsbereich die vergebenen und nicht syndizierten Kredite zu einer Verletzung von Bereichsvorgaben geführt hätten. Da von der Einhaltung dieser Zielvorgaben die Höhe der persönlichen Bonuszahlung für die Vorstandsmitglieder abhängig war, ergibt sich hieraus ein plausibles und nicht zu vernachlässigendes Motiv zur Durchführung von Transaktionen, selbst wenn diese für die Gesamtbank irrelevant oder sogar nachteilig waren.

    Warum wird die Frage der Motivation ausgeklammert?

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    • 21. Mai 2014 um 09:42
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      Das Gericht wird uns hoffentlich Anfang Juli eine Antwort auf diese Frage geben. Denn Motivation bedingt das Handeln.
      Bonuszahlungen könnten sicher ein Motiv gewesen sein, aber auch der geplante Börsengang, mit dem ein erheblicher Imagegwinn für die Vorstände einhergegangen wäre, ist ein mögliches Motiv. Oder vor den Aufsichtsräten nicht wie Weicheier und Bedenkenträger dazustehen. Oder in der Sparkassenfamilie als Macher auftreten zu können, die ihre Bank trotz heraufziehendem Finanzorkan im Griff haben.
      Denkbar ist da einiges und ja, ich bin auch ratlos, warum das Gericht so selten nach der Motivation gefragt hat. Für mich sind aber auch andere Fragen offen geblieben. Ich hätte z.B. gern gehört, wie die Vorstände die in englisch gefasste Vorstandsvorlage zu Omega 55 ins Deutsche übersetzen.

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  • 22. Mai 2014 um 10:18
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    Wenn die Cashflow-Berechnungen, unter Berücksichtigung aller in den Algorithmus einfließenden (auch stochastischen) Parameter, täglich nachgehalten werden, erhält man einen Kurs für den Wert der Anteile. Die Verfolgung des „Kursverlaufs“ schafft ein gutes „Kursgefühl“, erlaubt die Früherkennung von Risiken und ermöglicht Analysen, wie das Feststellen von Kursausreißern, Insolvenzgefahr etc.

    Je mehr man sich mit CDOs befasst, umso fassungsloser wird man, dass erst gegen Ende des Strafprozesses ein Fachmann wie Prof. Hellmich den Wert des Teils-B von Omega 55 unter allerlei rückwirkend geltenden Annahmen errechnen konnte. Dieser Wert hätte zu jedem Zeitpunkt den Verantwortlichen sofort zur Verfügung stehen, bekannt sein müssen und jederzeit genannt werden können. Es ist wie mit dem Wertpapierdepot, dessen Wert man auch jederzeit zu Kurswerten berechnen kann. Wie will man sonst Risk Management betreiben, wie will man beispielsweise Insolvenzverschleppung glaubhaft widerlegen können? Allein in diesem Versäumnis muss man schon eine Pflichtverletzung erkennen.

    Aufschlussreich ist der Beitrag von Christian Bluhm und Christoph Wagner “Valuation and Risk Management of Collateralized Debt Obligations and Related Securities” in Annual Review of Financial Economics 2011. 3:193–222. Alle Bullets, die diese dort zu „Risk Management at the Buy Side“ nennen, sind beachtenswert aber ganz besonders der Folgende (S. 216):

    CDO investments require daily monitoring and regular reporting. An institution investing in such assets, therefore, needs an infrastructure where CDOs can be booked, monitored, and the portfolio of CDOs can be reported. Risk-return analysis needs to be made transparent to senior risk managers and investment officers who are in charge of the CDOs.

    Wie kann man ohne dieses Instrumentarium behaupten, dass man einen möglichen Schaden für die Bank nicht habe erkennen können und schon gar nicht billigend in Kauf genommen habe?

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