EU-Kommission: Derzeit keine Käufer für die faulen Schiffskredite

Am 4. August hat die EU-Kommission endlich nähere Informationen über ihre Entscheidung im Beihilfeverfahren um die HSH Nordbank veröffentlicht. Es ist ein Brief an die Bundesrepublik und die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Unveröffentlicht bleibt damit zwar weiterhin die eigentliche Entscheidung im Wettbewerbsverfahren um die HSH vom Mai 2016. Was aber in dem jetzt veröffentlichten, 40-seitigen Brief steht, ist auch schon sehr aussagekräftig.

5 Milliarden für Schiffsschrott – und keine Käufer

Die EU-Kommission geht in dem Brief unter anderem auf die Umstände ein, unter denen das 5-Milliarden-Euro-Paket an notleidenden Schiffskrediten an die Länder verkauft wurde. Und wie der Preis von 2,4 Milliarden Euro zustande kam. Durch Modellrechnungen. Nicht durch Marktpreise. Denn, so Zitat: 

Da derzeitig auf dem Markt kein Käufer für diese Vermögenswerte zur Verfügung steht, […] hat die Kommission klargestellt, dass sie aufgrund der Beschaffenheit des Portfolios und angesichts des Fehlens eines Käufers auf dem Markt ihre Bewertung auf die Grundsätze der Marktwertermittlung […] wertgeminderter Aktiva stützt.

Die EU-Kommission räumt damit nüchtern ein: Die faulen Schiffskredite, die die Länder der HSH für 5 Milliarden Euro abgenommen haben, entsprechen Schrott. Sie will zurzeit niemand kaufen. 5 Milliarden für Schiffsschrott. Damit ist auch das amtlich.

Irreführende Antwort von Bürgermeister Scholz

Im Sommerinterview der BILD Anfang August verstreute Hamburgs Erster Bürgermeister, Olaf Scholz, dagegen Sand. Auf die Frage, ob das Geld für die 5 Milliarden fauler Kredite nicht doch quasi weg sei, antwortete er: „Hamburg und Schleswig-Holstein haben die für 2,4 Milliarden gekauft und sollen sie möglichst für mindestens diesen Betrag weiterverkaufen.” Scholz tut damit so, als gäbe es tatsächlich Käufer für die Schiffskredite. Dabei weiss er genau – siehe Beihilfeentscheidung -, dass es sie derzeit nicht gibt.

Keine Erholung der Schifffahrtsbranche

Und wer glaubt, dass sich die Lage im nächsten Jahr bessern wird, der glaubt wohl auch an den Weihnachtsmann. Der sollte auch mal einen Blick auf das Alter der Schiffe werfen – die reinste Geisterflotte. Und sich mit den Marktdaten auseinandersetzen.

Und der sollte auch mal die aktuelle Studie der Hamburger Wirtschaftsbehörde zum Schifffahrtsstandort Hamburg lesen. Die kommt zu dem Schluss: In den nächsten 9 Jahren ist eine „durchgreifende Erholung der Schifffahrtsbranche … nicht wahrscheinlich“. Alles das ist einsehbar. Alles ist verständlich. Auch für Nicht-Fachleute. 

Es muss unterstellt werden, dass Bürgermeister Scholz die Ergebnisse der Wirtschaftsbehördenstudie kennt – und die Marktdaten.

Hier die wichtigsten Fakten, die öffentlich über die notleidenden Schiffskredite bekannt sind:

  • Das Portfolio umfasst Kredite für 256 Schiffe.
  • Es handelt sich um 160 Containerschiffe, 46 Tanker, 25 Bulker, 25 Multi Purpose Schiffe.
  • Die Containerschiffe sind im Schnitt 9 Jahre alt, die Tanker fast 11 Jahre, die Bulker 7 Jahre, die MP-Schiffe 8 Jahre alt.
  • Die Schiffe fahren zu 70% unter deutscher Flagge, 8% unter Malta, 6% unter Zypern.
  • Hinter den Schiffen stehen 60 Kreditnehmer.
  • Buchwert 5 Mrd.: 2,4 Mrd. Kaufpreis, 2,6 Mrd. aus Ländergarantie.
  • Kreditsicherheiten: Schiffshypotheken, Sicherungsabtretungen von Chartereinkünften, Versicherungsansprüche, Garantien, Kontoverpfändungen und anderes.
  • 97 Prozent der Schiffskredite wurden in Dollar ausgegeben.
  • Die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman hat die Schiffskredite für die EU-Kommission bewertet; PricewaterhouseCoopers, Linklaters LLP und Bain & Company haben die Länder beraten. (3! Gesellschaften)
  • Die Bewertung der Kredite erfolgte mithilfe des Discounted-Cashflow-Modells.
  • Die von der HSH für diese Bewertung bereit gestellten Daten sind vom 30. September 2015.
  • Der berechnete “Marktwert” des zu übertragenden Schiffskreditportfolios aus diesen Daten lag zwischen 33,4 % und 56,8 % (!) des Buchwertes (exposure at default).
  • Die Schiffskredite und finanzierten Schiffe sind derzeit unverkäuflich.

 

Noch ein paar aktuelle Fakten zur zu verkaufenden HSH Nordbank:

  • Ende 2015 deckte die 10-Mrd.-Garantie noch Vermögenswerte von 50 Milliarden Euro ab. Es handelt sich um Kredite zur Schiffsfinanzierung, von Firmenkunden und für Immobilien.
  • Prognosen zufolge werden die 50 Mrd. nicht vor Ende 2025 abgewickelt sein.
  • HSH und Länder konnten die Zweifel der EU-Komm. nicht ausräumen, dass die HSH trotz neuem Geschäftsplan und zusätzlicher Umstrukturierungen wieder rentabel werden würde.
  • Die HSH muss bis zum 28. Februar 2018 verkauft sein. Eine Fristverlängerung um ein halbes Jahr ist möglich.
  • Die HSH muss ihr Eigenkapital stärken, Kosten senken, darf keine Dividenden zahlen.
  • Die EU-Kommission allein entscheidet, ob der Verkauf zustande kommt oder nicht. Ausschlaggebend ist für den Verkauf die Rentabilität der neuen Unternehmensstruktur.
  • Die HSH darf nicht an einen Erwerber des öffentlichen Sektors verkauft werden, d.h. an ein Unternehmen, das von Bund, Ländern oder den Kommunen kontrolliert wird.
  • Landesbanken und öffentliche Sparkassen dürfen sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen, wenn sie gemeinsam mit anderen Bietern ein Angebot abgeben.
  • Findet sich für die HSH kein Käufer oder ist das neue Unternehmen nicht marktfähig und rentabel, wird die HSH auf Kosten ihrer Anteilseigner abgewickelt.

 

Weiterführende Links:

Beschluss der EU-Kommission Brief an Deutschland, 2. Mai

Umdruck 18/6390  Informationen zum Übertragungsportfolio

Bild-Sommerinterview mit Olaf Scholz, 3. Aug

Ministerin Heinold meldet „positive Fortführungsprognose“ für Schiffe, 20. Juli

HSH-Chef Ermisch Trotz Krise: Verkauf fauler Schiffskredite für HSH “kein Problem”, 15. Jan

Kleine Anfrage HSH Portfoliomanagement – übertragene Assets, 29. Juli

Studie Schifffahrtsstandort Hamburg, 15. Febr

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