Keiner ist Schuld.
Zweierlei war für den Anfang des 2. Prozesstages im Hamburger Landgericht angekündigt: Der frühere Vorstandschef Hans Berger äußert sich zum Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Und der Vorsitzende Richter Marc Tully wollte den Berufsweg der Vorstände wissen, damit das Gericht sie besser kennen lernt. Eigentlich eine unverfängliche Angelegenheit, offenbar aber nicht vor Gericht.
Richter Tully gab gleich das Wort an Hans Berger. Dieser legte eine halbe Stunde lang dar, warum er nicht verantwortlich zu machen ist für das desaströsen Omega 55-Geschäft — er also nicht schuldig im Sinne der Anklage ist. Wie er sich verteidigt hat, können Sie hier lesen: Ex-HSH-Chef Berger weist jede Mitschuld zurück.
Und dann waren die anderen fünf Angeklagten dran. Geredet haben drei, zwei haben ihre Verteidiger reden lassen. Herausgekommen ist: Keiner ist Schuld.
Reglos
Dirk Jens Nonnenmacher begann mit seiner akademischen Karriere. 1989 Diplom als Mathematiker, 1990 Promotion, drei Jahre später Habilitation. Ein Schnellgeist. Forschung im In- und Ausland, 2003 Honorarprofessur in Heidelberg, dann Stationen bei der Dresdner Bank und DZ Bank. Im Oktober 2007 kam er zur HSH Nordbank. Er sollte den Börsengang umsetzen, erst als Finanzvorstand und ab 2008 als Vorstandsvorsitzender.
Zum Anklagevorwurf sagte Nonnenmacher nichts. Auch äußerlich keine Regung.
Aber: Er erklärte seine Aufgaben als damaliger Finanzvorstand. Er war zuständig für das Controlling der Bank, das Rechnungswesen, für Steuern, Systemerfassung und die Bewertung der Vermögenspositionen. Aus diesem Grund trifft ihn auch der Vorwurf der Bilanzfälschung. Denn Nonnenmacher war nach seinem Aufgabenprofil verantwortlich für die Bilanzbewertung.
Verbittert
Joachim Friedrich wurde als einziger emotional.
Der gelernte Industriekaufmann hat sich über ein Betriebswirtschaftsstudium an der privaten Eliteuniversität EBS in Östrich-Winkel und ein Trainee-Programm bei der Investmentbank JP Morgan und anschließend als Global Head Fixed Income der DZ Bank hoch gearbeitet. Er als Fachmann für den Kapitalmarkt habe dann im Mai 2007 bei der HSH angefangen. Im November 2009 wurde er entlassen.
Seine Entlassung, sagte Friedrich verbittert, könne er immer noch nicht nachvollziehen und akzeptieren. Die Ermittlungen haben ihn zudem persönlich sehr belastet.
Den Anklagevorwurf wies Friedrich strikt zurück. Er hatte “alle Informationen vorliegen, um eine verantwortliche Entscheidung zu treffen”.
Für Friedrich war Omega 55 ein “vorteilhaftes, stratregiekonformes und steuerbares Geschäft“.
Deshalb halte er seine Unterschrift immer noch für richtig und verantwortlich — basierend auf seinem Kenntnis- und Wissensstand.
Gefehlt
Hartmut Strauß ist wie Hans Berger ein Landesbanker durch und durch. 1975 beginnt er bei der NordLB seine Banklehre, zwei Jahre später wechselt er zur Hamburger Landesbank, wird rasch Führungskraft und ist zuständig unter anderem für das Kreditrisikomanagement, die Revision, das Rechnungswesen. Im Jahr 2000 wird Strauß als Vorstand für Luftfahrtfinanzierung und Leasing berufen, nach der Fusion ist er Finanz- und Risikovorstand.
Strauß schied krankheitsbedingt 2008 aus.
Strauß geht nicht auf den Anklagevorwurf ein.
Am Ende seiner Kurzvorstellung sagt er aber einen Satz, der aufhorchen ließ: Bei seiner Arbeit als HSH-Vorstand hat er “auch Fehlentscheidungen getroffen“.
Geschwiegen
Bernhard Visker, Firmenkundenvorstand und Peter Rieck, Vorstand Immobilien, hatten sich entschieden zu schweigen. Sie ließen ihre Anwälte reden.
Viskers Verteidigerin wies mit Nachdruck den Vorwurf der schweren Untreue zurück. Bernhard Visker sei außerdem ein “sorgfältig handelnder Kaufmann, der seine Pflichten nicht verletzt und auch die HSH Nordbank nicht geschädigt” habe. Er habe weder eigennützig noch vorsätzlich gehandelt.
Für Visker waren laut Aussagen seiner Verteidiger in der Vorstandsvorlage “die Mängel nicht erkennbar, und er habe seinen Mitarbeitern vertraut“.
Peter Rieck schickte ebenso seinen Verteidiger vor.
Dem Vorwurf der Untreue trete Peter Rieck mit Nachdruck entgegen, sagte Verteidiger Gatzweiler. Und: “Die Anklageschrift verstelle den Blick auf die Tatsache, dass die Vorstände nicht eigennützig gehandelt haben, sondern als Angestellte der Länder mit der Zielsetzung, die Liquidität der Bank sicherzustellen”.
Es ist schon erstaunlich: Da werden sechs Männer als Vorstände berufen, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zuvor als vorstandsfähig eingestuft hat und keiner übernimmt Verantwortung für sein Handeln, seine Entscheidungen, keiner ist Schuld. Während ihrer Vorstandszeit kassierten diese Banker schätzungsweise im Jahr zwischen 400.000 und 600.000 Euro Gehalt.
Fotos: HSH Nordbank