KPMG-Wirtschaftsprüfer über die HSH: “Die Bank war schlicht überfordert.”

Das war schon starker Tobak, den die Prozessbeteiligten von den Wirtschaftsprüfern der Prüfgesellschaft KPMG, Niels M. und Michael K., zu hören bekamen. 

KPMG war 2008 erstmals von der HSH Nordbank beauftragt worden, ab November den Jahresabschluss 2008 zu prüfen. Diese “normale Abschlussprüfung” wurde später vom Aufsichtsrat der Landesbank erweitert zu einem umfassenden Gutachten über den Zustand der Bank. Am Ende stand ein mehr als tausend Seiten umfassendes Gutachten. 

Der 47-jährige Wirtschaftsprüfer Niels M. hatte die “Letztverantwortung” für die Abschlussprüfung des Jahres 2008 und unterschrieb den Bestätigungsvermerk im Geschäftsbericht gemeinsam mit seinem Kollegen Michael K.

Niels M. und Michael K. waren auf Antrag der Verteidigung von Dirk Jens Nonnenmacher geladen worden. Den Widerspruch der Verteidigung von Bernhard Visker, die Prüfer nicht zu hören, hatte das Gericht kurz vorher abgelehnt.

Omega 55 falsch gebucht und nicht überwacht 

Und so erzählte Wirtschaftsprüfer Niels M., der zuerst dran war, dass er im November 2008 mit einer normalen Abschlussprüfung begann, die wenig später durch ein Gespräch mit Dirk Jens Nonnenmacher zu einer erweiterten Prüfung wurde. Nonnenmacher war Mitte November 2008 zum Vorstandsvorsitzenden ernannt worden. 

Nonnemacher habe ihn darüber informiert, es gebe ein “großes Bewertungsthema” in der Bank und er werde sie unverzüglich informieren, sobald er mehr darüber weiß. Bei dem “Bewertungsthema” ging es vor allem um den Finanzdeal Omega 55 (und wohl auch Omega 52). Eine Woche später habe dann der Aufsichtsrat der KPMG den Auftrag erteilt, sich mit Omega 55 intensiv zu beschäftigen. Und das taten die Wirtschaftprüfer um Niels M. dann auch. 

Omega 55 sei als “normaler Kredit” mit 400 Millionen in die Bücher gebucht worden (das ist die Verbriefung des Teil-B), was “nicht ordnungsgemäß” war, erinnerte sich der 47-jährige. Das komplizierte Geschäft wurde zudem von der Londonder Filiale aus gemanagt und nicht von der Zentrale in Hamburg und dadurch nicht fortlaufend überwacht.

Zweifelhafte Risikokultur der HSH

Überhaupt hatte der erfahrene Prüfer den Eindruck, dass die Abteilungen, die neue Geschäfte zu prüfen und bewerten hatten (=Marktfolge), personell, technisch und zeitlich deutlich schlechter ausgestattet waren als die Kollegen, die sich die neuen Geschäfte ausdachten und verkauften (=Markt). Dadurch sei es vergleichsweise einfach gewesen, große Risiken einzugehen, so Prüfer Niels M..

Außerdem hätte der interne Prüfprozess durch die Abteilung Neue-Produkte-Neue-Märkte NPNM nach seiner Erinnerung nicht die Anforderungen hinsichtlich des Rechnungswesens erfüllt. Er habe sogar mahnen müssen, damit er die notwendigen Unterlagen zu Omega 55 erhalte — das hat “sehr lange gedauert”.

Nach Ansicht des KPMG-Wirtschaftsprüfers habe man sich mit der Vorstandsvorlage zum Geschäft Omega 55 “sehr intensiv beschäftigen” müssen, damit man das versteht.

Verständnislücken bei Kapitalmarktvorstand Friedrich?

Mitte Januar 2008 sei es dann zu einem Gespräch zwischen den Wirtschaftsprüfern Niels M. und Michael K. mit dem zuständigen Kapitalmarktvorstand Joachim Friedrich gekommen, um “eine Sichtweise auf das Geschäft” Omega 55 zu erhalten. In diesem Gespräch soll Friedrich geäußert haben, er habe sich nicht gut von seinen Mitarbeitern informiert gefühlt. Die Prüfer haben das Gespräch protokolliert.

Friedrich habe auf ihn jedenfalls den Eindruck gemacht, so Niels M. im Zeugenstand, dass er Omega 55 aufgrund der Unterlagen nicht vollständig verstanden hat. Was ihn zu dieser Einschätzung veranlasste fragte das Gericht nicht. (Die Verteidigung von Joachim Friedrich widerspricht am darauffolgenden Verhandlungstag der Verwertung der Aussagen von Niels M. und Michael K. über genau dieses Gespräch mit seinem Mandanten.)

Was der Vorsitzende Richter Tully allerdings wissen wollte war: Kommt es für Teil-A von Omega tatsächlich zu einer Eigenkapitalentlastung zum 31.12.2007 (unter Basel I)? Das haben sie nicht geprüft, erwiderte Niels M., weil Omega 55 im April 2008 ausgelaufen war und sie ja den Abschluss des Jahres 2008 zu prüfen hatten und nicht den des Jahres 2007. 

Keine Heimlichtuerei, dafür Überforderung 

Nach der anschließenden kurzen Befragung durch Staatsanwalt Wegerich erhielt Heinz Wagner als Verteidiger von Nonnenmacher das Wort. Er ging u.a. nochmal auf das Gespräch zwischen Nonnenmacher und dem Wirtschaftsprüfer ein, ob er das Gefühl gehabt habe, sein Mandant wollte ihm etwas verheimlichen? So einen Eindruck verneinte Prüfer Niels M. Er habe sich bestmöglich informiert gefühlt durch den Vorstandschef, er sei immer “ansprechbar” gewesen.

Vielmehr meinte der Wirtschaftsprüfer: “Die Bank war schlicht überfordert.”
(Im November hatte die HSH öffentlich einen enormen Verlust einräumen müssen. Vorstandschef Hans Berger trat daraufhin zurück und Dirk Jens Nonnenmacher wurde sein Nachfolger.) 

Ausländische Niederlassungen in der Kritik

Wagner erkundigte sich bei dem Wirtschaftsprüfer der KPMG über die Kommunikation zwischen den ausländischen Niederlassungen der HSH, z.B. London, und der Zentrale in Hamburg und Kiel. Ob es Schwierigkeiten gegeben hätte? Die gab es, so der Prüfer. Er meinte auch, die ausländischen Niederlassungen hätten eine enorme Bedeutung und Eigenständigkeit gehabt und seien mit “starken Persönlichkeiten” besetzt gewesen.

Anwalt Reinhard Daum stellte noch zwei, drei Fragen, die anderen Anwälte winkten ab – sie hatten keine.

Das “andere”, komplexe Geschäft – Omega 55

Dann Auftritt Wirtschaftsprüfer zwei der KPMG, Michael K., 56 Jahre alt. Er habe von Omega 55 erstmals im Gespräch mit Dirk Jens Nonnenmacher erfahren, berichtet der Zeuge. Nonnenmacher habe gesagt, Omega 55 (und auch Omega 52) gehörten nicht in das “gebuchte Kreditbuch”.

Michael K. empfand, dass Omega 55 “anders” als andere Geschäfte war und die STCDO, die Single Tranche Collaterialized Debt Obligation, den “Kern” der Transaktion darstellte. (Ähnlich hatte sich in seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung Steven P. geäußert, der die Vorstandsvorlage zu Omega 55 geschrieben hatte.)

Diese 400-Mio-Verbriefung habe ein “mehrdimensionales Risiko” gehabt und hätte eigentlich im Kreditersatzgeschäft gebucht und gemanagt werden müssen. 

Ihm sei aufgefallen, dass die Entscheider von Wirkungen und Komplexität bei Omega 55 nichts wußten. Welche Entscheider er meinte, präzisierte der Wirtschaftsprüfer nicht.  

Kapitalmarktvorstand kannte “side letter” nicht

Richter Tully sprach ihn auf das Gespräch mit Kapitalmarktvorstand Joachim Friedrich an, von dem sein Kollege zuvor erzählt hatte. An dieses Gespräch erinnerte sich Michael K., in Teilen sogar “intensiv”. Friedrich, so meinte sich der Wirtschaftsprüfer zu erinnern, war sich nicht die ganze Zeit über das Risiko im Geschäft “bewußt”. Und er sei “verärgert über London” gewesen. 

An was er sich intensiv erinnert war die Nebenabrede zu Omega 55 im so genannten “side letter“. Dieser Brief sei Friedrich nicht bekannt gewesen. In diesem “side letter”, geschrieben von der BNP Paribas, war klar dargelegt, dass die HSH Nordbank u.a. das Geschäft verstanden hat und es aufsichtsrechtlich richtig behandelt. 

Ob sich im Nachgang von Omega einer der Vorstände geärgert habe über die “financials” in der Verbriefung, fragte Tully. Das erinnere er nicht, sagte der Zeuge.

Nonnenmachers Reputation

Die Staatsanwaltschaft hatte keine Fragen an den Zeugen, dafür Heinz Wagner, Verteidiger von Nonnenmacher. Er wollte auch mit diesem Zeugen die Kooperationsbereitschaft und Offenheit des damaligen Vorstandschefs herausarbeiten. Und auch Michael K. hatte nicht den Eindruck, dass etwas vertuscht werden sollte bei der Zusammenarbeit mit dem prominenten Angeklagten. Wenn das so gewesen wäre, hätte er den Abschlussvermerk unter die Prüfung “nicht erteilt”. Er war dankbar für die direkten Gespräche mit Vorstandschef Nonnenmacher. 

Anwalt Prinzenberg (für Joachim Friedrich) hatte noch eine Frage an den Zeugen, die anderen Anwälte nicht.  

Zankapfel Gesprächsprotokoll zwischen Prüfern und Vorstand

Am Ende der Zeugenbefragung bat Richter Tully Michael K., ob er dem Gericht das Gesprächsprotokoll mit ihm, seinem Kollegen und Joachim Friedrich zuschicken könnte, wenn KPMG keine Einwände dagegen habe? Worauf Verteidiger Prinzenberg sofort widersprach. Das Gesprächprotokoll sei ein persönliches Protokoll und er müsse das erst noch mit seinem Mandanten besprechen. Auch die Anwälte Münchhalffen und Gatzweiler äußerten Bedenken gegen das Einbringen des Protokolls als Beweismittel in das Verfahren.

Staatsanwaltschaft wirft Vorständen Schutzbehauptung vor 

Und auch dies sei noch erwähnt: Staatsanwalt Maximilian Fink hatte sich zwischendrin zu Wort gemeldet. Er thematisierte die für das Verfahren wichtig gewordene Unterscheidung zwischen “financials” und “corporates” im Teil-B von Omega. Die ausländische Adresse des Zeugen Steven P., der die Vorstandsvorlage zu Omega 55 geschrieben hatte, sei der Staatsanwaltschaft jedenfalls bekannt. Und der Zeuge P. würde aussagen, so Fink, dass in der HSH unter “corporates” auch “financials” verstanden wurden. Die Behauptung von Hans Berger und Hartmut Strauß, unter “corporates” sind keine “financials” zu verstehen, seien Schutzbehauptungen, so der Staatsanwalt.

Am Ende des Verhandlungstages stellte noch Staatsanwalt Wegerich einen Beweisantrag. Er möchte Dr. Thomas Emde von der Kanzlei Freshfields laden lassen und ihn zu den strittigen “financials” und “corporates” befragen. Freshfields war 2009 von der HSH beauftragt worden, den Geschäftsbetrieb auf mögliche Managementfehler hin zu untersuchen. 

6 Gedanken zu „KPMG-Wirtschaftsprüfer über die HSH: “Die Bank war schlicht überfordert.”

  • 5. Mai 2014 um 21:32
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    Die Aufnahme von Omega 55 als normalen Kredit mit 400 Millionen “in die Bücher” bedeutet, dass die ganzen Berechnungen, die Prof. Hellmich für die Bestimmung des Wertes der Transaktion vorgenommen hat – und die ja offenbar zu laufenden Schwankungen des Wertes geführt hätten -, für die Darstellung der Transaktion innerhalb der HSH Nordbank keine Rolle gespielt haben. Ein laufendes Risikomanagement kann so nicht möglich gewesen sein.

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    • 6. Mai 2014 um 07:51
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      Ein “laufendes” Risikomanagement war nicht möglich bzw. wurde nicht gemacht bei Teil-B von Omega, der Verbriefung. Dazu hätte sie im “Credit Investment Portfolio” CIP gebucht werden müssen. War sie aber nicht, haben die Prüfer von KPMG erklärt und auch Zeugen vorher.
      Warum Teil-B nicht im CIP gebucht war? Auf diese Frage hat am 16. Verhandlungstag die Zeugin Sirka H. eine mögliche Erklärung gegeben.

      Die Zeugin hatte erzählte, dass gewöhnlich die Marktbereiche, die ein Geschäft ankurbeln, dieses Geschäft in die Bankbücher “einbuchen”. Bei der Financial Institutional Group (FIG) in London ging das aber nicht, weil sie IT-technisch dafür (noch) nicht ausgestattet war. Die FIG als Teil der Kapitalmarktsparte aber hatte Omega 55 ausgeheckt, also hätten sie es einbuchen müssen. Weil London dazu nicht in der Lage war, berichtet die Zeugin, hätte NPNM KollegInnen in Hamburg suchen müssen, HändlerInnen, die Omega 55 erfassen, damit es gebucht werden kann. In Hamburg aber sitzen Kredit-Händler. Diese Händler kannten aber Strukturen wie Teil-B von Omega 55 nicht. Vielleicht wurde deswegen Omega als “Kredit” eingebucht, als “loans and receivables”, statt als das, was es war, als Derivat und Total Return Swap.
      Das wäre zumindest eine plausible Erklärung.

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  • 11. Mai 2014 um 14:26
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    Wenn die Zeugin Sirka H. das so ausgesagt hat, dann ist es zumindest nicht schlüssig.

    Aus dem Bericht des Untersuchungsausschuss des Landtages in Schleswig-Holstein:

    “2007 wurde die FIG London massiv ausgebaut. Einzelne Aspekte der Neuausrichtung der Financial Institution Group hat FIG London in einer Präsentation zusammengefasst, die dem Vorstand in persona von Herrn Friedrich im Juni 2007 und dem Gesamtvorstand auf einem Vorstandsworkshop am 15.04.2008 in London vorgestellt wurde. Der Vorstand hat die entsprechende Präsentation zustimmend zur Kenntnis genommen. ‘Die Entscheidung für die Umstrukturierung und Neuausrichtung von FIG London ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil sie eine erneute Fragmentierung des Kreditersatzgeschäftes mit sich brachte. Wie aus der Präsentation ersichtlich, sollten nämlich strukturierte Wertpapiere nunmehr auch von FIG London angekauft, betreut und vertrieben werden. Die geplante Umorientierung von der FIG wurde bei den beiden Omega-Transaktionen alsbald in die Tat umgesetzt.'”

    Die Niederlassung in London wurde also während des Jahres 2007 für den Handel mit strukturierten Wertpapieren ausgebaut und trotzdem nicht mit den dafür notwendigen Equipment ausgestattet?

    Das in London sicher der eine oder andere Mitarbeiter saß, der genau wusste das ein STCDO nicht als normaler Kredit in die Bücher genommen wird, lässt sich anhand der Vita des Herrn Luis Marti-Sanchez (damals immerhin der stellvertretender General Manager der London Branch der HSH Nordbank) erahnen.

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    • 11. Mai 2014 um 16:00
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      Auch wenn London 2007 massiv ausgebaut worden ist, bedeutet das nicht, dass auch die gesamte IT schnell ausgebaut wurde. Mitarbeiter der Bank hatten bei meinen Recherchen ähnliches berichtet: nicht nur innerhalb der fusionierten beiden Banken gab es immer noch IT-Probleme. Vor allem die Datenkommunikation zu den Niederlassungen u.a. zu London hakte. Deswegen ist die Aussage der Zeugin Sirka H. für mich schon schlüssig. Sie passt zu meinen früheren Rechercheergebnissen.

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  • 12. Mai 2014 um 19:39
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    Tja…ich habe mir noch mal die anderen Einträge im Blog zu den Aussagen der Zeugin Sirka H. durchgelesen…Bei der Betrachtung der Zeugenaussagen sollte man mE nicht vergessen, dass nicht nur die Herren auf der Anklagebank sondern ggf. auch die Personen im Zeugenstand ein Interesse daran haben, ihre damalige Rolle in dem Debakel in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen.

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    • 13. Mai 2014 um 10:37
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      Sie sprechen etwas Wichtiges an. Auch wenn die Zeugen vor einem Strafgericht die Wahrheit sagen müssen, verfolgen sie freilich eigene Interessen, wollen sich (und sicher auch andere) schützen. Das ist gerade bei manchen wichtigen Zeugen deutlich geworden. Sirka H. gehört vielleicht dazu, auch der Leiter der Rechtsabteilung Gössmann hinterließ bei mir diesen Eindruck. Er konnte/wollte sich an so vieles Wesentliche nicht erinnern.

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