Wird Vorwurf der Bilanzfälschung fallen gelassen?

Die Sprache der Juristen

Juristen haben vor Gericht ihre eigene Art zu sprechen und zu schreiben. Subjekt, Prädikat, Objekt. So nachvollziehbar die deutsche Grammatik aufgebaut ist, so selten bedienen sich Anwälte ihrer Form.

Gewöhnlich schieben sie ellenlange Nebensätze ein, nicht einen, nicht zwei sondern … ordentlich mehr. Sie lieben es außerdem, zu substantivieren und verehren Worte mit -ung, -heit und -keit. Gelassen argumentieren sie dazu in Rechtskonstrukten wie unsereins über Spielzüge des Lieblingssportvereins, dabei streuen sie ganz nebenbei Paragraphen plus Absatz plus Nummer ein und komplizierteste Urteilszusammenfassungen und Gesetzeskommentierungen.

Öffentliche Beobachter – wie ich – brauchen dann schon manchmal eine Glaskugel, um herauszulesen, was die Herren und Damen Juristen im großen Gerichtssaal des Hamburger Landgerichts wohl gerade gemeint haben könnten. Könnten, wohlgemerkt. So erging es mir am 55. Verhandlungstag.

Ein Blick in die Glaskugel

Da schlängelte der Verteidiger von Dirk Jens Nonnenmacher, Heinz Wagner, einige Sätze Richtung Gerichtspodest, die der Vorsitzende Richter Marc Tully freundlich entgegennahm. Die folgende Antwort durchwebte vorsichtig den Saal. Beim letzten Wort nahm Staatsanwalt Wegerich den Gedankenfaden auf und sponn ihn weiter, weich und bedacht.

Um was es dabei ging? Um den Vorwurf der Bilanzfälschung. Diesem Vorwurf müssen sich Dirk Jens Nonnenmacher als früherer Finanzvorstand und Joachim Friedrich, früher Kapitalmarktvorstand, zusätzlich zum Vorwurf der schweren Untreue stellen — die mögliche Fälschung der Bilanz zum 31.3.2008 und in einer Pressemitteilung vom 20.6.2008.

Sie spielte im Prozess bei den Zeugenvernehmungen nur am Rande eine Rolle. Jetzt, kurz vor den Plädoyers, packt Verteidiger Wagner das Thema also auf den Tisch. Und ich die Sätze der Juristen in die Glaskugel,  mische sie durch und sehe mal drauf.

Das, was die Rechtsgelehrten untereinander in nur wenigen Minuten zur Bilanzfälschung aussprachen, war vage und im besten Juristendeutsch formuliert. Es klang aber so, als würde der ohnehin schwer nachzuweisende Vorwurf des Fälschens der HSH-Bilanz vielleicht fallen gelassen werden.

Vielleicht wird sich die 8. Strafkammer dem Vorwurf aber auch nur durch die Auslegung des Rechts nähern. Meine Glaskugel hat das unscharf wiedergegeben.

 

 

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