Risikoprüfung bei Omega: Wochenende musste reichen.

Das Gericht ackert sich weiter durch die Arbeitsebenen der HSH Nordbank, befragt alle Mitarbeiter, die das Kreislaufgeschäft Omega 55 vorbereitet, analysiert, geprüft und zusammengestellt haben – und letztlich umsetzten. 

Bisher haben Mitarbeiter aus folgenden Abteilungen ausgesagt: 

  • Londoner Niederlassung, die die Geschäftsvorlage zu Omega 55 ausgearbeitet hat
  • drei Kollegen der Rechtsabteilung
  • Abteilung Neue-Produkte-Neue-Märkte, die jedes neue „Finanzprodukt“ vorab prüft, ob es für die Bank beherrschbar ist
  • Immobiliensparte
  • Buchhaltung 

 

Am 21. Verhandlungstag war ein Mitarbeiter des Kredit-Risiko-Managements (KRM) geladen. Ein interessanter Zeuge, der 2001 bei der Bank anheuerte und noch immer dort arbeitet. 

Zeuge erinnert sich genau an Omega 55

Der 44-jährige Andreas B., Risikofachmann in der HSH, erinnert sich noch detailliert daran, wie das war mit Omega. Er bekam den Deal an einem Freitagnachmittag auf den Schreibtisch. Es war der 14. Dezember 2007. Eilig hieß es, sei die Sache.

Also nahm er die Papiere über das Wochenende mit nach Hause und erledigte dort die Risikoprüfung, die Prüfung eines komplizierten Geschäftes, zu dem viele entscheidende Unterlagen fehlten. 

Risiko akzeptabel, Prüfung unverhältnismäßig kurz

In seiner Risikoanalyse schrieb der Zeuge später: Das Risiko ist akzeptabel. Wir unterstützen die Transaktion.     

Risikocheck: Omega 55 akzeptabel
Vorstandsvorlage: Einschätzung des Kredit-Risiko-Managements   

Aber: Es lässt sich nicht abschätzen, ob die Struktur für die HSH profitabel sein wird.

Außerdem besteht ein unkalkulierbares Kostenrisiko. Er erwähnte auch in seiner schriftlichen Einschätzung (Votum): Der Zeitrahmen für die Risikoprüfung war extrem eng und mit Blick auf die Komplexität der Transaktion unverhältnismäßig kurz.

Risikocheck: viel zu wenige Zeit
Vorstandsvorlage: Zeitrahmen extrem eng und unverhältnismäßig kurz.   

Ein Satz, er aufhorchen lässt. Nicht die Vorstände.

Am Montag drauf übergab Zeuge Andreas B. die Analyse seinem Vorgesetzten Torsten E. Der M2-Leiter musste das Geschäft absegnen. Das tat er auch. B. schickte daraufhin per Mail die Einschätzung des Kredit-Risiko-Managements nach London an Koordinator Marc S.

Wie E-Mails belegen, war keine zehn Minuten später die Vorstandsvorlage inklusive der gerade erst erhaltenen Risiko-Einschätzung an den ersten Vorstand weitergeleitet worden, an Immobilienvorstand Peter Rieck.

Es war der 17. Dezember, nachmittags. Peter Rieck und Risikovorstand Hartmut Strauß unterschrieben noch am selben Tag. 

Es ist ein Großkredit

Dem Bankkaufmann und Volkswirt Andreas B. ging Omega aber nicht aus dem Kopf. Ihn beschäftigte vor allem ein entscheidendes Detail. Ihm war aufgefallen, dass in der Vorstandsvorlage die wichtige Information fehlte, dass es sich bei der Transaktion um einen Großkredit handelt.

Das ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil in diesem Fall striktere gesetzliche Vorgaben greifen, z.B. müssen dann ALLE Vorstände das Geschäft genehmigen. Eilbeschlüsse sind im Grunde nicht möglich (Der Beschuldigte Dirk Jens Nonnenmacher beruft sich genau auf diesen Punkt, das Omega eben kein Großkredit war, und er deshalb das Geschäft mit seiner Unterschrift nur „zur Kenntnis“ genommen hat, mehr nicht.) 

Trotz Zweifeln nichts passiert in London und Hamburg

Risikofachmann Andreas B. rief sogar in London an, um darauf zu drängen, dass auf der Vorstandsvorlage „Großkredit“ draufsteht. Aber, so sagte er vor Gericht, es war schwierig, in London jemanden zu erreichen; er hinterließ eine Nachricht. Seine eigene Abteilung bestätigte ihm später: London habe die Vorstandsvorlage als Großkredit gekennzeichnet. Das aber hat London NICHT getan. Auf der Vorstandsvorlage fehlt an der entscheidenden Stelle das Kreuz. 

Omega Vorstandsvorlage
Seite 1 der Vorstandsvorlage:  Bei “Großkredit” fehlt das Kreuz, obwohl der Risikofachmann darauf gedrungen hatte.

 

Aber das erfuhr der Volkswirt erst viel später.

Omega im Risikoausschuss

Vier Monate nach der Risikoprüfung und -einschätzung durch den Zeugen B., im April 2004, sollte Omega 55 im Risikoausschuss der Bank vorgestellt werden. In diesem Gremium sitzen Mitglieder des Aufsichtsrates, Politiker, Wirtschaftsprüfer und die Bankenaufsicht, vertreten durch die Bundesbank. 

Andreas B. fiel die Aufgabe zu, alle Unterlagen für eine Präsentation des Geschäftes im Risikoausschuss zusammenzustellen.

Stellungnahme der Rechtsabteilung fehlt

Dabei bemerkte er unter anderem, dass in der Dokumentation das Statement der Rechtsabteilung fehlte, in dem sie dem Deal aus rechtlicher Sicht zustimmte (so ein Statement gaben die Juristen nie ab). Er rief in London an, damit die Kollegen das Statement nachlieferten.

Das sei erneut mühsam gewesen, sagte B. vor Gericht. Was aus London dann geschickt wurde, machte auf den Zeugen NICHT den Eindruck, es sei eine Zustimmung. Schlimmer noch: Es schien ihm, als stufe die Rechtsabteilung die Transaktion als nicht Bafin-konform ein.

Daraufhin telefonierte er mit der zuständigen Juristin Vera S. Die bestätigte ihm: Weder sie noch ihr Kollege Sascha E. haben Omega 55 abschließend geprüft und für rechtswirksam befunden.
 

2 Gedanken zu „Risikoprüfung bei Omega: Wochenende musste reichen.

  • 31. Oktober 2013 um 20:32
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    ..und dann ?? Wurde der Riskoausschuss darüber informiert, dass die Rechtsabteilung Omega 55 nie vollumfänglich und abschließend geprüft hatte ?

    Ich finde, es bemerkenswert, dass es – trotz des Drucks die Transaktion durchzubringen – immerhin zu diesem Satz im Votum gekommen ist:

    “Der Zeitrahmen für die Risikoprüfung war extrem eng und mit Blick auf die Komplexität der Transaktion unverhältnismäßig kurz.”

    Antwort
    • 1. November 2013 um 09:26
      Permalink

      Der Risikoausschuss wurde über Omega 55 im April nur knapp informiert. Wie umfänglich später, ist noch nicht vor Gericht dargestellt worden.

      Wieso ist es “bemerkenswert”, wenn der Risikofachmann die extrem zeitliche Enge beschreibt? NPNM hat einen Satz mit einer sehr ähnlichen Botschaft in ihrem Votum.
      Hätten hier die Vorstände also die Mängel von Omega 55 erkennen und nachfragen müssen?

      Antwort

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