Schlagabtausch und Erinnerungslücken.

Tag der Verteidiger

Der 4. Verhandlungstag war der Tag der Anwälte von Bernhard Visker und Peter Rieck – Gaby Münchhalffen und Norbert Gatzweiler. Sie haben die Richter weder ins Fragen noch den Zeugen ins Reden kommen lassen. Mindestens zwei Drittel der Zeit der Befragung nutzten die Verteidiger zum Stellen von Anträgen oder Einlegen von Widersprüchen und Einfordern von Kammer-Entscheidungen. Richter Tully entschuldigte sich dafür bei dem Zeugen Marc S., “dass es manchmal länger dauert in einem Strafprozess, weil es Auseinandersetzungen über Dinge gibt, die dazu führen, dass man nicht sofort weiter machen kann”.

Zeuge mit Erinnerungslücken

Es war aber auch der Tag eines Zeugen, der sich oft nicht erinnern und manch wesentliches Detail in der Vorstandsvorlage für Omega 55 nicht (mehr) erklären konnte. Dabei hat er die Vorlage erstellt und auch vorab unterschrieben. 

Außerdem wußte der Zeuge, dass es an diesem 4. Verhandlungstag um DAS entscheidende Dokument des Prozesses gehen würde, also um den Schriftsatz, auf dem Omega 55 dem Vorstand zur genehmigenden Unterschrift vorgelegt worden ist und den die 6 Vorstände letztlich nacheinander im Eilbeschluss und Umlaufverfahren unterschrieben. Er hatte ihn vom Richter in Kopie beim letzten Termin erhalten. Marc S. wußte also, um was es geht. Dennoch offenbarte er Wissenslücken — aus Selbstschutz? Oder wußte er es wirklich nicht. 

Skizze, wie Omega funktioniert

Speziell wurde Marc S. auf eine Grafik angesprochen, die zeigt, wie die HSH Nordbank und die BNP Paribas an Omega 55 beteiligt sind und wer mit wem wie in Beziehung steht. Es war eine Skizze, wie Omega 55 im Prinzip funktioniert. Die Skizze lag allerdings nur in Kopie vor, sodass Namen und Bezeichnungen und Pfeile nicht mehr gut leserlich waren. In dieser Grafik konnte der Zeuge weder die Beteiligten benennen, noch irgendwelche anderen Angaben machen.

Ich habe die Skizze auch gesehen und bin schon der Ansicht, dass ein Fachmann — und der Zeuge zählt sich sicherlich dazu — sehr wohl hätte zumindest rudimentär erklären können, was da zu sehen ist und an welchen Stellen die HSH auftaucht.

Das ist die Skizze aus der Vorstandsvorlage, die Omega 55 darstellt … 

Firmenkonstruktion hinter Omega 55
Firmenkonstruktion hinter Omega 55

Der fragende Richter Bruns reichte dem Zeugen daraufhin eine Präsentation der BNP Paribas zum Omega 55 Geschäft mit der HSH. In dieser Präsentation war offensichtlich die gleiche Skizze abgebildet. Aber auch hier konnte Zeuge S. die Beteiligten nicht benennen und auch sonst sagte er, könne er nichts dazu sagen. 

Leider hakte hier Richter Bruns nicht nach und fragte den Zeugen S., wieso diese Skizzen sich derart ähneln und ob er die Skizze von der BNP Paribas-Präsentation in den Vorstands-Schriftsatz zu Omega 55 übernommen hat – ohne sich tatsächlich Gedanken darüber zu machen. Mir drängt sich jedenfalls diese Frage auf, denn warum sonst hat der Richter den Zeugen mit der Präsentation konfrontiert. 

Bank ohne Gutachten-Praxis

Außerdem erklärte der Zeuge auf die Frage des Richters, ob ihm die Rechtsabteilung ein schriftliches Gutachten über die Prüfung von Omega 55 (Teil-A und Teil-B) vorgelegt habe, dass kein Gutachten erstellt worden sei. Wenn, dann gebe es eMails. 

eMails für ein 2-Milliarden-Neugeschäft. Mehr nicht. Es sei nicht üblich, Gutachten zu erstellen, fügte Zeuge S. an.   

Richter mit konfuser Fragetechnik

Der Zeuge Marc S. wirkte heute weniger kompetent als bei seiner ersten Befragung. Das könnte aber auch an der Art der Fragen gelegen haben. Für die Fragen war diesmal nicht Richter Tully, sondern der zweite Richter der 8. Strafkammer, Volker Bruns, zuständig. Manche Frage geriet ihm konfus, er hakte bei wichtigen Sachverhalten teilweise auch nicht nach. Irgendwann hielt es der Verteidiger von Joachim Friedrich, Wolfgang Prinzenberg, nicht mehr aus und bat den Richter, doch manches Mal nachzufragen. Auch Staatsanwalt Karsten Wegerich war mit der Fragetechnik nicht gänzlich einverstanden und bat das Gericht, selbst Fragen formulieren zu dürfen.

Dem gab Richter Tully statt und Wegerich kam zum Zug, was dann wiederum die Verteidiger nutzten, um Wegerich zu sagen, er solle doch bitte Bewertungen in seinen Fragen aussparen. 

Fazit: Viel Verfahrens-Geplänkel, ein Zeuge, der Organisationsschwächen in der HSH entlarvte (keine Gutachten) und so manches nicht erklären konnte. 

Nachtrag Oktober 2013:
Die Skizze kommt im laufenden Verfahren noch zu einer gewissen Prominenz. Einige Fachabteilungen wie Recht und Rechnungswesen erhielten ausschließlich diese Skizze, um das Finanzgeschäft Omega 55 zu prüfen und zu bewerten.  Ein bißchen wenig. Üblicherweise werden Verträge und Produktbeschreiben vorgelegt.

4 Gedanken zu „Schlagabtausch und Erinnerungslücken.

  • 6. August 2013 um 20:09
    Permalink

    Bank ohne Gutachten-Praxis
    Außerdem erklärte der Zeuge auf die Frage des zweiten Richters Bruns, ob die Rechtsabteilung ihm ein schriftliches Gutachten über die Prüfung von Omega 55 (Teil-A und Teil-B) vorgelegt hat, dass kein Gutachten erstellt worden sei. Wenn, dann gebe es E-Mails.
    E-Mails für ein 2-Milliarden-Neugeschäft. Mehr nicht. Es sei nicht üblich, Gutachten zu erstellen, fügte Zeuge S. an.

    Soweit ich die Berichterstattung verfolgt habe, sind zumindest nachträglich zum Komplex Omega 55 reichlich Gutachten erstellt worden…

    Die von Herr Dr. Strate zusammengestellten Unterlagen enthalten auch zumindest ein Gutachten eines Juristen der London Branch zu dem Thema des Goldman-CDS-Geschäftes.

    Die Frage ist daher, was im Rahmen des Neue-Produkte-Prozesses der HSH üblich war – nach dem NPNM-Votum waren zumindest schriftliche Stellungnahmen erforderlich. Gegebenenfalls hat man sich in der Eile dann mit E-Mails begnügt.

    Vermutlich werden dazu ja noch weitere Zeugen befragt.

    Antwort
    • 7. August 2013 um 04:03
      Permalink

      Sie sagen es. NACHTRÄGLICH. Bei 2 Mrd.-Geschäften sollten VORHER umfassende Analysen/Gutachten erstellt werden, finde ich. Sie nicht?

      Und der Neue-Produkte-Prozess, den Sie ansprechen, ist ja nicht die Rechtsabteilung, die beurteilen sollte, ob Omega AUFSICHTSRECHTLICH o.k. ist.

      Antwort
      • 7. August 2013 um 18:14
        Permalink

        Natürlich hätte das Geschäft vorher begutachtet und darüber auch eine angemessene Dokumentation angefertigt werden sollen.

        Die Frage ist ja, ob das Versäumnis einzelner Mitarbeiter war, wenn es hier nicht so erfolgte, ob es in der HSH systematisch so angelegt war, dass keine Gutachten erstellt werden konnten und diese “Systematik” wiederum dem Vorstand zuzurechnen ist.

        “Außerdem erklärte der Zeuge auf die Frage des zweiten Richters Bruns, ob die Rechtsabteilung ihm ein schriftliches Gutachten über die Prüfung von Omega 55 (Teil-A und Teil-B) vorgelegt hat, dass kein Gutachten erstellt worden sei. Wenn, dann gebe es E-Mails.”

        Gegebenfalls waren noch nicht einmal Emails eine Selbstverständlichkeit – darauf deutet auch das Votum der Neue-Produkte-Gruppe, das ausdrücklich schriftliche Stellungnahmen einfordert.

        Ich gehe mal davon aus, dass der einzelne Mitarbeiter schon bemüht war, seine Arbeit ordentlich zu erledigen und ausführlich Stellung zu nehmen. Zumal dies bei Juristen täglich Brot sein sollte. Die Frage ist nur, ob dies noch möglich war, wenn gleichzeitig mehrere Geschäfte von der Komplexität eines Deals wie Omega-55 begleitet werden mussten – was bei dem betreffenen Mitarbeiter in der Rechtsabteilung ggf. so war.

        Der Bericht des Untersuchungsausschusses in Schleswig-Holstein hat festgehalten (Seite 56), dass es in der HSH in diesem Zeitraum bei den Mitarbeitkapazitäten eine starke Übergewichtung der Marktbereiche gab:

        “In quantitativer Hinsicht bedeutete dies, dass auf der Marktseite etwa viermal so viel Mitarbeiter beschäftigt waren wie auf der Marktfolgeseite, während in Deutschland ansonsten insoweit etwa eine Gleichverteilung vorherrschte.”

        Dieses Missverhältnis als “Systemfehler” geht sicher auf Vorgaben des Vorstandes zurück und kann hier dazu beigetragen haben, dass ein Mitarbeiter in der Rechtsabteilung schlichtweg keine Chance mehr hatte, die Geschäfte in Form von ausgearbeiteten Gutachten zu beurteilen.

      • 8. August 2013 um 10:35
        Permalink

        So, wie ich den Zeugen verstanden habe, werden generell keine Rechtsgutachten für einzelne Geschäfte erstellt. Er sagte ja, das sei nicht üblich.
        Und ich denke da wie Sie, dass die Mitarbeiter sicherlich ihr bestes gegeben haben. Wenn aber die Rechtsabteilung nur 3 Tage Zeit hat, sich so einer extrem komplexen Materie wie Omega zu widmen, ist eigentlich klar, dass eine tiefgehende Analyse und Bewertung nicht stattfinden kann. Dafür aber können die Mitarbeiter nichts.
        Und es nützt dann den HSH-Juristen auch nichts, wenn sie ihren Job behalten wollen, zu sagen: Wir können Omega nicht ernsthaft beurteilen, weil das in der Kürze der Zeit nicht möglich. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Rechtsabteilung erhebliche Bauchschmerzen mit ihrer Einschätzung hatte.

        Es sieht deshalb für mich nach erheblichen Organisationsmängeln in der Bank aus. Und die hat der Vorstand zu verantworten, nicht die Mitarbeiter. Die Mitarbeiter scheinen ja immer wieder ihre Bedenken ausgedrückt zu haben, untereinander. Ob auch gegenüber dem Vorstand weiß ich aber nicht.

        Die Richter werden das bewerten. In den gesetzlich zu befolgenden “Mindestanforderungen an das Risikomanagement, MaRisk” jedenfalls steht eindeutig drin, was Vorstand zu tun hat:

        “AT 3 Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung

        Alle Geschäftsleiter (§ 1 Abs. 2 KWG) sind, () , für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und deren Weiterentwicklung verantwortlich. Diese Verantwortung bezieht sich unter Berücksichtigung ausgelagerter Aktivitäten und Prozesse auf alle wesentlichen Elemente des Risikomanagements. Die Geschäftsleiter werden dieser Verantwortung nur gerecht, wenn sie die Risiken beurteilen können und die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Begrenzung treffen ().”

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