Verhandlungspause im HSH Prozess.

Nach 32 Verhandlungstagen geht die 8 Strafkammer des Landgerichts Hamburg mit dem 17. Dezember in die Weihnachtsferien. 

Und mit ihnen 3 Schöffen, 6 Angeklagte, 6 Verteidiger und 6 treue Prozessbeobachter (davon 2 bezahlt von der HSH Nordbank), eine Protokollistin und ein Justizbeamter. 

Was der Prozess bis jetzt gebracht hat 

Die HSH Nordbank war weder personell, organisatorisch noch teilweise fachlich solchen komplexen Geschäfte wie Omega 55 gewachsen. Der Vorstand wußte das. Er selbst hat auf Änderungen gedrungen und Weiterentwicklungen der Organisation beschlossen, vor allem hinsichtlich des Umgangs mit den Risiken, die die Bank einging.

Die unzureichende, interne Organisation der Nordbank hatte der HSH Vorstand im Frühjahr 2007 von der Bankenaufsicht Bafin bescheinigt bekommen. Sie hatte die HSH umfassend organisatorisch geprüft und diverse Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben festgestellt (MaRisk-Verstöße). Konsequenzen hat die Bafin aber keine gezogen.

Fraglich bleibt bis jetzt das wahre Motiv des Vorstands für Omega 55. Warum wurde es wirklich abgeschlossen? Mit Teil-A von Omega sah die HSH zum Bilanzstichtag 31.12.2007 etwas “gesünder” aus, als sie war und gesund ist eine Bank, wenn sie genug eigenes Kapital zur freien Verfügung hat. Aufsichtsrechtlich stand die HSH aber gut da, hatte also gar keinen Grund, ihre Bilanz schöner zu rechnen. Und Ratingagenturen erkennen solche Bilanztricks sofort und berücksichtigen sie nicht. Also auch hier: kein Motiv.     

Interne Kennziffern sollten verbessert werden, hieß es von Zeugen. Aber reicht das als Motiv aus, um sich Teil-B von Omega aufzuhalsen, der mit enormen Risiken für die HSH verbunden war? 

Meine Vermutung: Die Mitarbeiter in der HSH und der Vorstand hatten Ende 2007 die Orientierung verloren, wie die Bank wirtschaftlich wirklich da stand und was zu tun war, um die Bank einigermaßen heil durch die unbarmherzig heraufziehende Finanzkrise zu manövrieren.

Die Verantwortung von Bankenaufsicht und Politik 

Und noch etwas drängt sich nach den Zeugenbefragungen auf: Welche Verantwortung trägt die Bankenaufsicht Bafin an der Pleite der HSH Nordbank? Sie wußte, wie mangelhaft die HSH organisiert war. Dennoch hat sie die Landesbank weder wirtschaftlich durchleuchtet noch ihr genaue Vorschriften auferlegt.

Und was ist mit den Eigentümern der HSH, den Landespolitikern von Hamburg und Schleswig-Holstein und den Sparkassenvorständen? Sie wollten alle den Börsengang, den die Vorstände als Grund für ihr Handeln rund um Omega 55 angeben haben. Wo werden sie zur Verantwortung gezogen?  

Die Arbeit des Gerichts

Die 8. Große Strafkammer mit dem Vorsitzenden Richter Dr. Marc Tully, den Beisitzern Volker Bruns und Dr. Malte Wellhausen geht den historischen Prozess mit Ruhe, Akribie, Fachkenntnis und feinem Humor an — und manches Mal mit fast kindlicher Neugier.  

Allerdings ist der rote Faden in der Zeugen-Befragung von außen nur schwer zu erahnen. Das Gericht quält sich durch Details der Arbeitsebene, ohne erkennen zu lassen, wo es argumentativ den Hebel ansetzen wird, um den Vorständen die Kredit-Untreue und Bilanzfälschung nachzuweisen, für die sie vor Gericht stehen. 

Manches Mal scheint es auch so, als ob das Gericht vor allem seinen Fragenkataloge mit den Zeugen abarbeitet, ohne bis in die Seitenstränge der Antworten hinein zu hören und nachzufragen, um Zeugen-Aussagen zu präzisieren. Dabei ist so manche Erklärung, manches Detail ungesagt geblieben. 

Vielleicht benötigen die drei Richter aber auch gar keine weiteren Erklärungen, um ihre rechtliche Schlüsse zu ziehen. Sie haben Einblicke in Akten und Belege, die wir Beobachter nicht haben. Und sie kennen die relevanten Gesetze und Analogien in und auswendig. Für sie ergibt sich also ein anderes Bild als für uns, die wir im Zuschauersaal das Gesagte und Verlesene verfolgen und keine Juristen sind.

Auf der anderen Seite frage ich mich aber auch, wie unbefangen die Richter dann noch sind.  

Kein Wort-Protokoll über das Gesagte im Prozess 

Was mich sehr erstaunt ist die Tatsache, dass in Strafprozessen keiner von Gerichts wegen mitschreibt, also kein schrifliches Wort-Protokoll verfasst wird, um später nochmal alles nachlesen und nachvollziehen zu können. Gerade in diesem einmaligen Prozess vor dem Hamburger Landgericht hätte ich das erwartet.

Aber auch im NSU-Strafprozess in München protokolliert niemand wortwörtlich das Gesagte, wie es z.B. im Bundestag vorbildlich geschieht. Damit wird für die Öffentlichkeit nur das festgehalten und ist nachlesbar, was wir Prozessbeobachter notieren und in Berichten weitergeben — und abgesehen von diesem nichtkommerziellen blog ist das nicht gerade viel. 

Wenig Medienberichte 

Im NSU-Prozess in München sitzen täglich mehrere Journalisten ganztätig im Gericht. Im HSH Prozess dagegen beobachten die meisten Hamburger Medien nur sehr sporadisch das Geschehen und Gesagte. Erstaunlicherweise schickt die Bild-Zeitung fast täglich eine Kollegin für mehrere Stunden in den Gerichtssaal, das Hamburger Abendblatt ab und an, die große öffentlich-rechtliche Sendeanstalt NDR verfolgt den Prozess nur am Rande bis gar nicht, (ich selbst biete NDR Info hin und wieder Gespräche über den Prozess an), ein freier Kollege vom Handelsblatt berichtet auch mal und ein Kollege der Nachrichtenagentur dpa und Reuters haben sich schon drei/viermal blicken lassen …  

Nur der Prozessauftakt und Aussagen von Dirk-Jens Nonnenmacher erregten bisher das Interesse der Hamburger Presse. Die eigentliche, langwierige Aufarbeitung von Omega 55 und des Geschäftsgebahrens der HSH-Vorstände dagegen scheint vielen ChefredakteurInnen nicht von Belang zu sein oder wird als zu kostspielig angesehen.

Von den 32 Verhandlungstagen habe ich 3 versäumt. An allen anderen war ich da, manchmal nur die vier Stunden vormittags, manchmal nur nachmittags, oft ganztätig. 

Nächste Prozesstage im Neuen Jahr

Am Montag, den 6. Januar 2014, geht der Prozess weiter.  An diesem 33. Verhandlungstag ist noch einmal Rainer H. geladen, Leiter der Luxemburger HSH Tochter Securities S.A. Er hatte vor Gericht bereits im Dezember ausgesagt, die Zeit reichte aber nicht für die Befragung durch Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

Am Montag darauf, 13. Januar, gibt der erste Gutachter Auskunft. Es ist Christoph Hultsch, Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Hultsch ist Kenner von komplexen Finanzvehikeln wie CDOs und Verbriefungen und der internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS.   

 

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